23.8.05

Sebastian Gründler von Sibirien-Expedition zurück





Von Sebastian Gründler
Fotos: Sebastian Gründler und Jens Reinhold













Im Juni 2005 haben sich Jens Reinhold, Stephan Huber, Viktor Klaus und ich in das nordöstlich vom Baikalsee liegende Kodargebirge aufgemacht. ?By fair means? wollen wir unsere Kajaks über den ?Bärenpass? schleppen und auf der anderen Seite bis in den Oronsee und den Vitim weiter bis in die Zivilisation paddeln. Drei Nebenbäche stehen im Mittelpunkt unseres Interesses und sollen soweit möglich ausgekundschaftet und befahren werden. Wir versorgen uns komplett selbst, führen die komplette Ausrüstung in unseren DIABLOs mit. Laut unseren Informationen waren noch nie andere Kajakfahrer in diesem Teil der Welt unterwegs, es gibt lediglich spärliche Infos von russischen Raftern, die Teilstrecken schon bewältigt haben sollen.














Für russische Verhältnisse verläuft die Anreise über Irkutsk, das Tragflächenboot über den Baikalsee, die Zugfahrt bis Chara und die letzen Kilometer ins Sredny Sakukan Tal mittels des sechsradgetriebenen Monsters "Ural" völlig reibungslos. Doch dann beginnt der anstrengende Aufstieg auf den verfallenen Wegen des ehemaligen Gulags, einst angelegt, um das Uran für die erste Atombombe der Sowjetunion zu fördern. Nach fünf Tagen, die wir entweder mit dem Schleppen der Kajakausrüstung oder mit dem Schleppen der restlichen Ausrüstung verbringen ? alles auf einmal ist uns nicht nur wegen des anspruchsvollen Geländes unmöglich ? erreichen wir den Bärenpass (2300 m) im Herzen des Kodargebirges. Erst müssen wir die Boote in einer fast senkrechten Rinne abseilen, während uns die Steine nur so um die Ohren fliegen. Auf einer steilen Schutthalde geht es schließlich zum ersten Bach, der Lednikovaya, hinab. Ein verirrter Fels kostet Viktor auf den letzten Metern den Fingernagel seines rechten Ringfingers.
Die nächsten drei Tage befördern wir das Gepäck durch völlig unwegsames Gelände zur Mündung mit der Sygygkta, in Etappen kehren wir zu den Booten zurück und befahren den größten Teil des extrem schweren Wildwassers der Lednikovaya. Auf der eigentlich nur mittelschweren Sygygkta können wir endlich mit dem gesamten Gepäck paddeln, obwohl die völlig überladenen Boote ziemlich schwer in dem Hochwasser führenden Fluss zu handhaben sind. Auf Traumwildwasser geht es zu den ersten Nebenbächen Challas und Kammenaja. Leider sind beide wie auch die Sygykta weit über ihrem Normalpegel, undurchdringliche Vegetation erschwert die mühsame Erkundung, schließlich brechen wir ab, zu aussichtslos scheint uns dieses Unterfangen. Während starker Unwetter erreichen wir nach drei Tagen auf der Sygykta den Oron-See und überqueren diesen bis zum Mündungsdelta der Kultuschnaya, an dessen Ufer ein Pfad entlang führen soll.
Gleich mit den Booten und Ausrüstung für eine Woche stapfen wir am nächsten Morgen im strömenden Regen wieder ins Gebirge, Spuren des Pfades sind eher selten zu finden. Am Abend können wir endlich das breite Kiesbett hinter uns lassen, ungefähr sieben Kilometer haben wir geschafft. Über einer traumhaft schönen Klamm bauen wir das Camp auf und hoffen auf eine Wetterbesserung, die eine Befahrung der extrem schweren Durchbruchstrecke möglich machen würde. Doch Regen während der ganzen Nacht zerstört unsere Hoffnungen. Trotz eines fast doppelt so hohen Wasserstands wie am Vortag erkunden wir noch die Strecke bis zum Anfang der Klamm, doch an eine Befahrung ist für die nächsten Tage nicht zu denken. Immerhin können wir bis zum See paddeln und müssen die Ausrüstung nicht zurückschleppen, riesigen Löchern und Walzen ausweichend gelangen wir am Abend schließlich wieder zum Mündungsdelta.
Die nächsten dreieinhalb Tage paddeln wir über den See und den riesigen, ebenfalls über die Ufer getretetenen Strom Vitim hinab. Das Wetter zeigt sich nur für kurze Augenblicke von seiner besseren Seite, eine Riesenwalze auf dem ansonsten völlig unspektakulärem Großfluss behält Jens und mich beinahe länger, als uns lieb ist. Erst nach einigen Rodeoeinlagen spuckt uns das Ungetüm mehr oder weniger unversehrt wieder aus. Ebenso wie auf der Hinreise klappt auch der Rücktransport aus der Wildnis zur Lebensader der Baikal-Amur-Magistrale wieder völlig reibungslos, nach weiteren vier Tagen befinden wir uns wieder in Irkutsk und organisieren für den Ausklang des Trips noch eine Viertagestour am Südende des Baikalsees.
Für unser eigentliches Ziel, der Erkundung der Nebenbäche der Sygykta, müssen wir wohl noch einmal wiederkommen. Nur dumm, dass die russischen Kollegen schon die nächsten vielversprechenden Bilder vom Gebirge nebenan geschickt haben. In Sibirien hat man halt noch die Qual der Wahl ? schöne Flecken sind hier wahrlich keine Rarität.